Neubau Justizzentrum Wien Baumgasse
BIG - Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H
1030 Wien, AT
Öffentlich
2008
EU-weiter Wettbewerb
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Ziel des Entwurfes ist ein klar strukturiertes Gebäudeensemble für die komplexen Funktionszusammenhänge des ´Justizzentrum Wien Baumgasse´ zu entwickeln, welches gleichzeitig den Stadtraum Erdberg respektiert und aufwertet. Die differenzierte und komplexe stadträumliche Situation wird durch drei neue, in Struktur, Materialität und Ausdruck unterschiedliche Baukörper geordnet. Diese drei Baukörper sind aus den programmatischen Vorgaben entwickelt. Sie gliedern sich in
1. das Jugendgericht (bestehend aus Jugendgericht, Staatsanwaltschaft und Ausbildungszentrum) an der Ecke Baumgasse – Südosttangente.
2. die Justizanstalt im Sockelgebäude (mit allen Räumen außer den Hafträumen), zwischen Jugendgericht und dem öffentlichen Durchgang zur U – Bahn Station Erdberg.
3. die Hafträume der Justizanstalt, konzipiert als vierarmiger über dem Sockelgebäude ´schwebender´ Baukörper.
Die Aufteilung der einzelnen Bereiche in Baukörper, die den Maßstab der stadträumlichen Umgebung aufnehmen und ergänzen, führt dazu, dass sich die funktionale Anordnung der geforderten Programmpunkte zwangsläufig ergibt.
Erschließungshof
Die Erschließung der gesamten Anlage erfolgt über einen zentralen Erschließungshof der zwischen Jugendgericht/Ausbildungszentrum und Justizanstalt aufgespannt ist. Dieser Erschließungshof wird an der Baumgasse an das öffentliche Straßennetz angeschlossen. Unter dem Erschließungshof ist die zweigeschossige Tiefgarage angeordnet. Sie wird über eine Ab- und Auffahrtsrampe unter dem gedeckten Eingangsbereich des Jugendgericht erschlossen. Um den Rhythmus der Gebäudestruktur von offen und geschlossen zu unterstützen wird eine Reihe hochstämmiger Baumkörper in die Tiefe des Raumes gesetzt. Sie unterstützen die Lesbarkeit von Sockel und aufgesetzten, strukturiertem Gebäudeteil.
Jugendgericht/Ausbildungszentrum
Die Teilbereiche mit öffentlichem Publikumsverkehr (Jugendgericht/Ausbildungszentrum) werden in einem Baukörper parallel zur A23 zusammengefasst. Durch die Aufteilung in einen geschlossenen Sockelbereich und einer kammartig aufgesetzten siebenteiligen Gebäudestruktur wird der Hochlage der A23 und deren Lärmexposition in Form eines gebauten Lärmriegel Rechnung getragen. Im Sockelbereich dieses Gebäudes sind in der Justizverwaltung, Sicherheitsschleuse, Foyer, Verwaltung, Schwurgerichtssaal, Verhandlungssäle, im Ausbildungszentrum, Foyer, Verwaltung, Seminar- Unterrichtsräume, Sport- Trainingsbereich untergebracht. Innerhalb der aufgesetzten Gebäudestruktur werden im Bereich Jugendgericht die Justizverwaltung, Hauptverhandlung, Ermittlungsrichter, Staatsanwaltschaft untergebracht. Im Bereich des Ausbildungszentrum werden Schulungsräume und Unterkünfte situiert. Die aufgesetzte Gebäudestruktur ist so strukturiert, dass sowohl zur A23, wie aber auch zur Justizanstalt keine, resp. nur ausgesuchte Blickbeziehungen bestehen.
Justizanstalt
Die Justizanstalt wird als eigener, in sich geschlossener Bereich, innerhalb des Gesamtensemble ausgebildet. Durch die Aufteilung in einen Sockelbereich sowie in einen darüber schwebenden Gebäudeteil entstehen für die einzelnen Bereiche adäquate Raumverhältnisse. Das Gebäudeensemble Justizanstalt wird über einen zentralen Punkt erschlossen, den Nabel! Der Nabel ordnet und strukturiert sowohl den Sockelbereich wie auch den darüber schwebenden Baukörper. Er verleiht dem gesamten Ensemble eine spür- und erlebbare Mitte. Die Schnittstruktur der Justizanstalt ist gegenüber der Schnittstruktur des Jugendgericht/Ausbildungszentrum in den spür- und sichtbaren Referenzhöhen angeglichen und identisch.
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Im Erdgeschoss sind Schleuse, Einlieferungshof, Fachwerkstätten, Sporthof, Sport- Schwimmhalle, Umkleide- Fitnessräume, Besucherräume untergebracht. Im 1. Obergeschoss sind Justizwachkommando und Wachzimmer, Kanzlei Vollzug, Betreuungsdienst, Wäscherei, Unternehmerbetriebe, Schule und Werkräume situiert. Im 2. Obergeschoss sind Wachzimmer, Anstaltsleitung, Speisesaal Beamte, Kanzlei/Wirtsch., Jugendgerichtshilfe, Wäscherei, Unternehmerbetriebe, Schule und Werkräume angeordnet. Auf dem Dach des Sockelbauwerk, dessen Höhe mit der Höhe des Sockel des Jugendgericht sowie mit der Fahrbahnhöhe der A23 korrespondiert, besteht eine räumliche Verbindung zwischen den beiden Bauteilen, in Form eines geschlossenen, gläsernen Verbindungsbauwerks. An dieser Stelle, dem beschriebenen Nabel, an der Schnittachse horizontal vom Jugendgericht und vertikal von der Justizanstalt sind die Vernehmungsräume untergebracht. Durch diese präzise Setzung entstehen keinerlei funktionale Überschneidungen. Alle hier aufeinander treffenden Funktionen sind übersichtlich und nachvollziehbar angeordnet. Die Hafträume im schwebenden Baukörper sind in vier, vom Nabel auseinanderlaufenden Armen eingebaut. Durch den Maßstab und die Ausrichtung dieses Baukörpers entstehen Wohn- und Aufenthaltsräume mit hoher und vielfältiger Qualität.
Konstruktion
Grundsätzlich wird darauf geachtet ein hohes Maß an Vorfertigung zu erreichen und möglichst einfache Konstruktionen zu verwenden. Konstruktive und unveränderliche Elemente werden aus Fertigteilen (Fertigteilstützen, Stahlbetonhohlwände) bzw. Halbfertigteilen hergestellt, während Bereiche, in denen ein gewisses Maß an Flexibilität sinnvoll erscheint, wie zum Beispiel die Innenbereiche der Verwaltung, in nicht tragendem Leichtbauweise ausgeführt werden.
Materialien/Ausdruck/Architektur
Das aus der Vorgabe entwickelte Gesamtensemble gliedert sich in die drei beschriebenen Gebäudeteile. Entsprechend ihrer Bestimmung werden sie durch eine sensible und angemessene Materialisierung in Struktur und Ausdruck differenziert. Die Außenhaut des gesamten schwebenden Baukörpers wird mit einem schallabsorbierenden, feinstrukturierten Metallgewebe belegt. Diese Maßnahme macht den Baukörper selber zu einem schallabsorbierenden Element im Stadtraum und dämmt die vielfachen Lärmquellen. Die Materialisierung des Gerichtsgebäudes/ABZ ist zur A23 in einem transluszenten Baumaterial mit unterschiedlicher Sichtqualität ausgebildet. Die Fassade zur Justizanstalt ist mit einem einheimischen Holz belegt um einen bewussten Kontrast zum Metallgewebe des schwebenden Baukörpers mit den Hafträumen zu schaffen. Nach außen erscheint ein umlaufendes Sockelbauwerk. An den entsprechenden Stellen ist es mit einem leicht nach oben ausgeklappten Belichtungselement perforiert. Die Oberkante dieses Sockelbauwerk ist eine verbindliche Referenzhöhe um die verschiedenen stadträumlichen Elemente wie A23, Jugendgericht/Ausbildungszentrum und Justizzentrum und deren Maßstäblichkeit zu einem Bestandteil des Projektes werden zu lassen. Die Materialisierung der aufgesetzten Gebäudestrukturen, Jugendgericht/Ausbildungszentrum und Hafträume ist bewusst unterschiedlich ausgebildet, um den unterschiedlichen stadträumlichen Bedingungen aber auch den unterschiedlichen Nutzungen eine nach außen erkenn- und identifizierbare Identität zu verleihen. Durch diese Maßnahme entsteht ein erleb- und spürbarer Kontrast von hart und weich, groß und klein, der das eigentliche Thema Jugendgericht/Justizanstalt zugunsten von visuellen Sinneseindrücken in den Hintergrund treten lässt.