Neubau und Adaptierung Sozialzentrum Zell am Ziller
Wohn- und Pflegeheim Zell am Ziller, "Kaiser Franz Josef-Stiftung"
6280 Zell am Ziller, AT
Pflege/Gesundheit
2018
2. Preis EU-weiter Wettbewerb
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Das visuelle Bild des Ortes
Sozialzentren und Kapellen sind ähnlich den Schulen, den Rathäusern, den Kirchen, den Friedhöfen Teil eines kollektiven Gedächtnisses einer Gemeinde und bilden einen wesentlichen Teil des sozialhistorischen Verständnisses dieser Gemeinde. Sozialzentren sind aber auch Orte der generationenübergreifenden Begegnung im Inneren ebenso wie in den geteilten Außenräumen. Zell am Ziller besteht aus einer Vielzahl von gestalterisch unterschiedlichsten gut vernetzten Außenräumen. DiePorosität dieser urban - dörflichen Orte entsteht und gewinnt erst durch diese alles überlagernde Verflechtung.
Der neue sozialkommunale dörfliche Mittelpunkt ist hier, neben den bestehenden kulinarischen und touristischen Ankerpunkten, integrativer Bestandteil dieses fußläufigen Gefüges. Die Durchlässigkeit ist aber nicht nur Absicht einer dörflichen Integration, sie ist auch in hohen Maße ein wesentlicher Teil der Identifikation.
Die Neudeutung des öffentlichen Raumes entlang der Spitalgasse stellt starke ortsräumlichen und nutzungsübergreifenden Bezüge her ohne die Selbständigkeit der einzelnen Nutzungsbereiche selbst zu konterkarieren. Gemeinsam ist ihnen die zentrale Vernetztheit in deren Mittelpunkt die frei gestellte gotische Kapelle des bestehenden Altenheims steht. Diese orträumliche Gliederung im bauliche Gefüge nahe dem Zentrum schafft ein attraktives und übersichtliches Vorfeld, eine Allmende, die rasche, einfache Orientierung und funktionale Zuordnung ebenso schafft wie die notwendige ortsräumliche Prägung.
Das funktionale Bild des Ortes
Das neue Sozialzentrum illustriert mit dem neuen Gebäude für das Betreute Wohnen, der Villa und der Brauerei einen Außenraum, der sich um die Kapelle verdichtet. Der südliche Kinderspielbereich geht variantenreich in einen Duft- und Fruchtgarten mit Hochbeeten über, der von einem Seerosenteich gesäumt wird. Dabei trennt die durchwegte Kapelle die Gemeinschaftsflächen zum Betreuten Wohnen. Auf die befestigten Flächen vor dem Sozialzentrum strömen nach Süden die öffentlichen Nutzungen der Innenräume des Erdgeschosses wie der Mehrzwecksaal, der Hauptzugang, das allen zugängliche Café und die Aufenthaltsbereiche der Tagesbetreuung.
Das simple Bild der Ambivalenz
Einprägsam erheben sich die beiden Terrassen über den neuen Anger und weisen betulich auf den Eingang und die Ankommenden hin. Ebenso eindringlich stehen die beiden dreigeschossigen Patioräume für die Struktur des Hauses und dessen innere Lesbarkeit und Orientierung. Die zweidimensionale Durchlässigkeit der dörflichen Ebene erfährt hier eine weitere räumliche Dimension. Das konsistente Gliederungsprinzip der Grundrisse ordnet die Räume um eine zentrale Erschließungsachse und die beiden Patioräume. Um diese Mitte reihen sich die öffentlichen Nutzungen zum Vorplatz, die Verwaltung nach Westen, die Wäscherei und die Küche zum Rosengartenweg und die Tagesbetreuung in das freie Feld nach Osten.
Selbstbestimmung und Selbständigkeit der Bewohner bildet die Grundlage für die Aufrechterhaltung der Lebensaktivitäten und die existenziellen Erfahrungen des Lebens.
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Offenheit, Transparenz, kurze Wege und funktionelle Übersichtlichkeit schaffen zudem Möglichkeitsräume, die Vertrautheit und Entspannung sowie Aktivität und sozialen Kontakt erlauben und die Vielfalt des Zusammenlebens zulassen. Diesem Prinzip folgend sind die vier Wohngruppen etabliert. Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen des Alltagslebens der Betagten sind klarere Strategie ebenso wie Arbeit des Pflegepersonals. Nur die nach außen gerichtete Privatheit der Zimmer bleibt unangetastet. Allein die Anzahl der Zimmer kann entsprechend den Anforderungen an die zu Pflegenden mit einer ”flexiblen” Türe an die Wohngruppe angepasst werden. Die Wohnküchen mit vorgelagerter Terrasse öffnen sich anschaulich zur gotischen Kapelle auf den Vorplatz. Die Wohnstuben positionieren sich an den zweigeschossigen Wintergärten vor den Patioräumen. Aus dieser räumlichen Gliederung ergibt sich eine klare Zuordnung der Zimmer. Es entsteht Orientierung und Adressierung - ”Ich wohne bei der Küche - Ich wohne beim Wintergarten - Ich wohne bei dem Patio … etc.” Die zentrale Mitte versorgt.
Ähnlich umringen die zwanzig betreuten Wohnungen eine durchlichtete Erschließung über vier Geschosse. Die unterirdische Verbindung vernetzt die Wohnungen unmittelbar mit dem gegenüberliegenden Café und den Räumen der Tagesbetreuung.
Das simple Bild der Etappierung
Im Zuge der Neuerrichtung des Sozialzentrums am Gelände des heutigen Parkplatzes und Spielplatzes bleibt das bestehende Heim völlig unberührt und in Betrieb - Umsiedlungen oder Ersatzräume sind nicht notwendig. Nach Fertigstellung des neuen Sozialzentrums und Umzug werden die bestehenden Gebäude bis auf den Osttrakt und die gotische Kapelle abgerissen und der neue Quartiersplatz errichtet sowie die Kapelle saniert. Je nach Finanzgebarung kann der Osttrakt unmittelbar abgerissen oder erneuert oder aber auch temporär teilsaniert weitergeführt werden.
Um den neuen Quartiersplatz möglichst verkehrsfrei zu halten wurde die Ein- und Ausfahrt der eingeschossigen Tiefgarage mit knapp 100 Einstellplätzen unter dem Sozialzentrum an den Rosengartenweg gelegt. Hier wird auch der heutige Parkplatz erschlossen. Ein öffentlicher Aufgang besteht im Bereich der zukünftigen Feuerwand der Brauerei, die temporär auch als Kletterwand verwendet werden kann. Sollte im Bereich der Brauerei eine zusätzliche Garage errichtet werden, kann die zukünftige Ein- und Ausfahrt der beiden Garagen zusammengelegt getrennt geführt werden.
Das haptische Bild der Erscheinung
Das äußere Erscheinungsbild – der architektonische Ausdruck – folgt bei beiden Gebäuden dem distinguierten Vorbild der Residenz. Dadurch soll Zusammenhalt und Verbindlichkeit hergestellt werden. Es sind lesbare Wohngebäude mit ausgeprägtem Massivsockel, die sich gehaltvoll und sinnfällig an der Materialität und Kontinuität des Bauens in den Alpen orientieren. Holz wird hier als warmer, haptischer Korrespondent der Tradition zeitgemäß interpretiert, letztlich um auch hier wieder einen kognitiven Ankerpunkt herzustellen.