Umbau und Erweiterung Bildungscampus Nüziders

Gemeinde Nüziders, Gemeinde Nüziders Immobilienverwaltungs GmbH. + Co. KG

6714 Nüziders, AT

Bildung

2017

Anerkennung EU-weiter Wettbewerb

      • Es ist angerichtet!

        Die Ingredienzien stehen verlockend bereit. Es ist - als würde man einem Haubenkoch über die Schulter schauen um dann genussvoll sein Gericht zu Ende zu bringen. ...

        So gesehen wird die städtebauliche Disposition die Volksschule Nüziders in nicht einem Augenblick in Frage gestellt. Die räumliche Dichte, die abwechslungsreichen Erschließungen und die sich mehrfach überlagernden Sichtbeziehungen werden beständig übernommen. Es ist die Geschichte des ersten österreichischen Bauherrnpreises 1967, die hier weitergeschrieben und weitergedacht wird. Nicht zuletzt wird auch die sensible Erweiterung aus dem Jahr 2004 zum Anlass dieser Gedanken genommen um letztlich einen ganzheitlichen Bildungscampus - in gestalterischer wie auch didaktischer Hinsicht - zu entwickeln. Dabei spielt auch Ort und Zugang des neuen Kindergartens in alter Lage eine zentrale Rolle. Er bildet mit der bestehenden Gebäudestruktur und der neuen Aula der Volksschule einen öffentlichen Raum, einen Campus Platz, der die verschiedensten Altersstufen in sich aufnimmt bevor das jeweilige Gegenüber in die eigenen privateren Bereiche eintaucht. Dieser sanguinische Außenraum wird an den Eingängen mit ruralen Themen aufgeladen. Das westliche Entree über den Freibereich des Kindergartens wird mit den Bestandsbäumen zur ”Green Chill Zone” erklärt. Der östliche Zugang über die Schulstraße wird mit seinen Duft- und Fruchtgärten zu einem aktiven pädagogischen Projekt ergänzt. Die baulichen Maßnahmen im Bestand der Volksschule bleiben moderat, nur der südliche Turnhallentrakt wird abgebrochen und durch einen unterkellerten zweigeschossigen Neubau ersetzt, der sich formal an der Materalisierung, den Gestaltungsmotiven und einer Fülle von Analogien am Bestand orientiert. Die beiden mittleren, flachen Trakte zum Innenhof sowie die spätere Ergänzung erfahren keine massiven baulichen Interventionen. Sie werden lediglich in ihrer inneren Struktur ergänzt und die funktionalen Zuordnungen werden zum Teil verschoben. Der große offene Freibereich unter dem Gebäude aus dem Jahr 2004 wird zu einer transparenten Mehrzweckaula zusammengeführt, um so auch dem Wunsch einer konditionierten Verbindung zwischen dem Ost- und Westtrakt zu entsprechen. In dieser Situation bleibt die Eigenständigkeit der beiden getrennten Zugangssituationen des ursprünglichen Konzeptes der Schule über die neue, gemeinsame Aula erhalten. Der auskragende Teil über der Aula, der auch über einen Treppenlift erreichbar ist, nimmt in Zukunft die Sonderunterrichtsräume in sich auf, die Verwaltung im Erdgeschoß bleibt unverändert. Der sanierte Westflügel beherbergt die aktiven Alltagsbereiche wie Essen, Spielen, Schlafen und auch die Bibliothek. All diese Bereiche sind öffentlich zugänglich fließen nach Osten mit zugeordneten Themen in die Freibereiche des intimeren Innenhofes. Der südliche zweigeschossige Neubau schließt diesen Hof. Hier befinden sich im Untergeschoss die Räume des Sports und des Musikvereins. Im Erd- und ersten Obergeschoss reihen sich die vier Cluster wie Vogelnester um einen zentralen Stamm in der Mitte, einen Patio.

        Inhaltlich wird die sequenzielle, strukturelle Klarheit des Bestandes übernommen und mit den zeitgemäßen pädagogischen Anforderungen zu Deckung gebracht. Nach einem kleinen, zurückgesetzten Vorbereich mit selbstgestalteten Informationen über die Cluster öffnet sich tangiert von der einsichtigen Garderobe die zentrale Lernlandschaft - das ”Forum”. Allen Clustern gleich ist die den Klassen vorgelagerte Terrasse mit dem weiten Blick in die nahen Naturlandschaften. Zwei Cluster teilen sich zusätzlich die allgemeinen Versorgungseinrichtungen, auch die Arbeitsräume der Lehrer sind miteinander verbunden. Die Foren weiten sich um eine Nische in den Patio auf und geben die Blicke frei auf das Treiben in den anderen Clustern und den tiefer liegenden Bewegungsraum.

      • Um diesen mittigen Tummelplatz im Cluster, der sich im Tagesablauf mehrmals ändert, reihen sich mit flexibel gestalteten Wandmöbeln die intimeren Klassenräume, die je nach Öffnungsgrad diesem sich permanent verändernden Zentrum zugeordnet werden können. Die neue Turnhalle im Westen des Untergeschosses passt sich dem natürlichen Geländeverlauf so an, dass großzügig Licht nach innen dringt und von den Garderoben ein direkter Zugang zu den Sportflächen im Freien möglich ist. Der unmittelbar angeschlossene Bewegungsraum lässt sich in den Patio erweitern. Der Musikverein mit eigenem Eingang reiht sich in musischer Privatheit in diese Raumfolge um den Patio ein. Auch der neue Kindergarten folgt inhaltlich der strukturellen Klarheit des Bestandes und schließt mit dem umseitig auskragenden Obergeschoß in Proportion und Geste das Triple dieser städtebaulichen Setzung. Im Erdgeschoss befindet sich die Kinderbetreuung mit direktem Ausgang in die westlichen Spiel- und Freibereiche. Der Ausweich- und der Bewegungsraum (auch extern genutzt) öffnet sich zum zuvor beschriebenen Campusplatz und der gegenüberliegenden Aula der
        Schule. Die sechs Gruppen- und Ausweichräume reihen sich im Obergeschoß um eine zentrale Mitte, die im Norden auf Grund des Geländeverlaufs einen direkten Ausgang zu den Außenanlagen erlaubt.
        Sämtliche neuen Bauteile sind in Gestaltung und Materalisierung bewusst als Fortsetzung, als Ergänzung und als Vervollständigung der ursprünglichen Idee interpretiert mit dem Ziel unter einer ganzheitlichen Betrachtungsweise baukulturelle und pädagogische Werte zu stärken.

        Epilog
        Kinder verbringen einen beträchtlichen Teil ihrer Kindheit in der Schule, sie durchleben in der Schule entscheidende Phasen ihrer Entwicklung. Das dort praktizierte Lernen und Schulleben legt den Grundstein für lebenslanges Lernen, für die Freude am sich Bilden und Weiterbilden sowie für eine aktive Teilnahme an der Gesellschaft und dem Verständnis zur Inklusion. Schulen sind daher heute Arbeits- und Lernlandschaften, Orte der Begegnung, Orte zum Verweilen und sollen vor allem Orte sein, an denen Kinder miteinander wachsen und Gemeinsinn entfalten können. In Bewegungs-, Spiel-, und Erfahrungsräumen lassen sich dann Kreativität und Phantasie entfalten.

        aus dem Jurybericht

        "... Das Projekt weist eine der Umgebung adäquate und ortsbaulich gut gewählte Körnung auf. Die abgerückte Anordnung der einzelnen Baukörper führt zu einer klaren Adressbildung jeder einzelnen Nutzung. Die damit verbundene offene Durchwegung des Campus wird architektonisch als Aufwertung gesehen, jedoch nutzerseitig speziell während den Schließzeiten als kritisch betrachtet. Die gedeckte aber nicht konditionierte Verbindung der einzelnen Gebäude wird im Bereich der westseitigen Spielfläche als Einschränkung gewertet. Durch die Verlegung der Schülerbetreuung und Elternberatung in die Räumlichkeiten des bestehenden Kindergartens kann die Kleinkindbetreuung und der Kindergarten in einem Neubau zu einer funktionalen „Mitte“ zusammengefasst werden. Somit wird die programmatisch gewünschte Nähe der Funktionen erzielt. Die windradartige Grundrissgestaltung stellt Beziehungen zwischen den einzelnen Gruppenräumen her und schafft über den zentralen Luftraum eine geschoßübergreifende Verbindung ins EG. Die Tageslichtführung wird im Obergeschoss als sehr spannend empfunden. Sie bietet je nach Tageszeit unterschiedliche Lichtsituationen. Leider ist der Ess- Begegnungsraum im Erdgeschoss zu unverbindlich und zu wenig definiert. Es entsteht daher eher ein Raum „neben der Garderobe“ mit ungenutzter Erschließungsfläche. Die Tageslichtversorgung für den im UG angeordneten Bewegungsraum wird als ungenügend betrachtet. Insgesamt handelt es sich um ein sorgfältig ausgearbeitetes Projekt mit Schwächen in der Organisation der geforderten Funktionsabläufe."